Bitte installieren Sie Flash.
 

Psychoanalyse nach Jacques Lacan

Sie reden von Ihrer Seele, der Analytiker hört

Eine Psychoanalyse ähnelt ein wenig dem Gang des Musikers ins Studio. Zwar mögen ihm, der live mehr Erfolg haben will, die Interventionen des Produzenten befremdlich erscheinen, aber genau dies ist es, was ihm die Möglichkeit eröffnet, zu sich selbst zu finden.
Der Analysant muss lediglich fähig (das ist keineswegs selbstverständlich) und willens sein, im Rückzugsgebiet des Studios etwas erklingen zu lassen: von der Seele zu reden. Und er sollte sich darauf einstellen, dass es ein Prozess sein wird, der nur bei langfristiger und kontinuierlicher Arbeit den erwünschten inneren Veränderungseffekt hat. Nur so kann sein ewig gleiches Lied schließlich ein neues Gewand bekommen bzw. so, wie es nun mal ist, angenommen werden.

Fortsetzung:

Dass jedes Sprechen auch ein Handeln ist (selbst da, wo es nur beschreibt), und sogar das wortlose Handeln vielsagend ist, macht Stimme und Körper "schuldfähig", und zwar noch vor der Person, der man unterstellt, dass sie ihr "Beweger" ist. Denn Stimme und Körper sind für aller Ohren und Augen präsent. Sie wirken ein auf die Umwelt, ebnen die Zukunft und können sogar die Meinung über Vergangenes beeinflussen.
Die Psychoanalyse entlastet keineswegs von dieser Verantwortung, indem sie etwa Fehlhandlungen über eine eigene, dem Bewusstsein nicht zugängliche Rechtlichkeit des Unbewussten entschuldigt. Eher verabsolutiert sie Verantwortung. Nur eben nicht wie im Alltag als potentieller Vorwurf, indem immerzu ein Hausherr gesucht wird, der verantwortlich gemacht werden könnte (selbst da, wo er nicht "Herr in seinem Hause" war). Per Symptom gibt man sich oft selbst die Schuld, baut sein Leben um die Taktik herum auf, möglichst reibungsfrei mit äußeren, veränderlichen Drohungen umzugehen. Der Psychoanalyse Lacans geht es aber eher um ein Leben ohne dauernde Suche nach einem Schuldsubjekt. Die logische Alltagsrechtfertigung entschuldigt sich ja immer schon im Namen aller, wenn sie rational sein will. Im Verstehen innerhalb des psychoanalytischen Prozesses liefert das Logische am Leben zwar keine Ausrede mehr, aber diese kreative Verlegenheit wäre auch kein unangenehmer Zustand mehr. Dennoch kann die Neusituierung der verantwortlichen Person ängstigender sein, als die alltägliche Furcht vor ungenügender Anerkennung durch andere.

Was dem Auge die Angst sein könnte, dass ihm nichts Eigenes oder freundlich Gesinntes, sondern Fremdes erscheint, wäre dem Ohr die Angst, im gehörten eigenen oder fremden Wort nicht die gewohnte "eigene" Sinnfülle erreichen zu können. Man würde dann nicht einmal mehr einem feindlich gesinnten Angriff entgegnen können, sondern ganz auf den Klang des Wortlauts zurückgeworfen sein (Musik ist nur so angenehm, weil ihre Kunst in der absichtsvollen Inszenierung des Klangs besteht). Wo das handelnde Sagen und das vielsagende Handeln nicht automatisch auf eine Bedeutung hin wahrgenommen werden (eine Operation, den die Psychoanalyse "Vater" bzw. den "Namen des Vaters" nennt), da taucht Angst auf. Wo man bei sich, aber auch beim anderen den Hausherrn, der Ursache von Sagen und Handeln soll, zu kennen glaubt, fühlt man Selbstgewissheit - und macht (sei es gut oder schlecht, leidvoll oder auch nicht) so weiter wie bisher. Die Psychoanalyse hilft, dem wahren Hausherrn auf die Spur zu kommen. Denn das von anderen (und sich selbst) in die Schuld genommene "Selbst" wird nur von den wenigsten Worten oder Handlungen tatsächlich nachhaltig beeinflusst. Seine Lebenseinstellung (und Leidensfähigkeit) lässt es nur da für etwas Neues stimmen, wo seine eigene Ursprungsgeschichte berührt wird. Dabei muss es nicht um reale Personen gehen, wo die verantwortlichen Stimmen gesucht werden, die Ursache des Sprechens und Handelns sind (Lacan sagt: "des Begehrens", was meinen soll, dass diese Akte immer auch die anderen brauchen, um die eigene Sinnfülle zu erreichen). Manchmal ist der Wunsch nach Erhaltung oder Erneuerung des mentalen (aus Worten bestehenden) Stammbaums Vater des Agierens: man möchte "sich" noch so oder bald doch so erzählen und rechtfertigen können. Worte werden dann zu mentalen Fortpflanzungsinstrumenten, zu sprachlichen Genen (einige Philosophen nennen sie "Meme"). Der Vater in der Psychoanalyse steckt vor allem in der Sprache: er ist der Urahn, der die Bedeutung der aktuell erlebten Sinngebung absichert. Im Grunde ist dieses Einbringen einer "Vaterschaft des Sinns", welche die Verantwortung unserer Worte und Handlungen trägt, immer und überall im Spiel: jeder will zumindest zur Selbstversicherung und zumindest ein wenig den anderen seinem eigenen Denken oder So-Sein ähnlich machen (und jeden erreicht diese "Übertragung" zugleich - meist unbemerkt - durch den anderen).
Wodurch sich die Psychoanalyse Jacques Lacans vom Alltagsgespräch abhebt, ist das in ihr gestiftete Forum, jedes Wort - und zwar durchaus einseitig das des Klienten - in Hinsicht auf Sinnvaterschaften "problematisieren" zu wollen (griech. problematon: das, was zur Lösung bzw. zur "Analyse" vorgelegt wird). Die Art und Weise des Problematisierens ist wiederum nicht alltäglich: steigt man in eine Diskussion ein und versteht das Wort immer auch als "Sohn" des sprechenden "Vaters", wird man von vorn herein nur unter dem Druck, bezüglich der Worte ein guter Vater zu sein, agieren. Nie wird man zu dem Vater des Vaters auf die Spur kommen, es ist immer nur die allgemeine Logik oder eine vermutete Autorität, auf die man sich im Zweifelsfall beruft. Der Druck, den hingegen ein autistischer Gefährte, ein nicht als Adoptivsohn zur Verfügung stehender Zeuge aufbaut, ist ein ganz anderer. Er bleibt in vielen Aspekten selbst genauso unbekannt wie der wahre Vater der Willensbildung. Er ist weder Besserwisser, noch einer, der sich herausnimmt, selbsternannt oder mit der Aura des größeren Lebensglücks Rat zu geben oder gar ins Gewissen zu reden.
Er ist vor allem als Zeuge Ihrer Rede präsent. In der psychoanalytischen Begegnung erhält Ihr Wort sein eigentliches Gewicht, lässt sie anders auf ihre eigenen Ideen reagieren und gegebenenfalls durch die neu reflektierte Erzählung ihrer selbst (ein "von der Seele reden") neue Ideen (ihrer Situierung als Vater) kreieren. Und dies schon dadurch, dass der Analytiker die ihm auffälligen Stellen in seiner Rekonstruktion Ihrer Seelenerzählung mit einem verbalen Ausrufezeichen, Komma oder Punkt versieht. Es ist, als träfe ein Musiker, der es gewohnt ist, sich in Duetten und Bands zu behauptet, zum ersten man auf einen Produzenten, der sich allein um seine Songs kümmert, dabei aber auch seine wahre Referenzen ins Recht setzt (in Zuständen der Schwäche, wo gar keine Selbstdarstellung, werde ich gegebenenfalls das Solo übernehmen).

Dieses Verfahren eines kontinuierlichen Horchens auf eine ungewohnte Form der Rechtfertigung, ermöglicht ein anderes Sich-Begründen, eine existentielle Erfahrung, die sich über die Sitzungen hinweg einprägt und späterhin im Alltag nutzbar gemacht werden kann. Wer lange in einem Dialog mit einem nur für ihn anwesenden, nur musikalisch (und da wiederum nur als Produzent kommunizierenden) Zeugen hielt, wird dies auch später im Alltagsdialog nutzen können. Er wird wahrscheinlich weniger verbissen auf sein Solo und seinen Hit hoffen, als vielmehr seinem Song (es ist immer das gleiche Lied) das angemessene Gewand geben wollen. Mit dem Wechsel der Abmischung oder des Musikstils ändert man zwar nicht seine Herkunft und Prägung, wohl aber hilft die "Befremdung", sie überhaupt als solche zu erkennen - so funktioniert das Verfahren der Analyse.

  Andreas Spohn M.A.    Psychotherapie (HPG)    Dietenbergstr. 26    79807 Lottstetten    Tel.: im Notfall 0041 76 7856586    E-Mail: info@vonderseelereden.de